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Von der Zeit
Aus DER PROPHET von Khalil Gibran

Du möchtest die Zeit messen,
die grenzenlose und unermessliche.

Nach Stunden und Jahreszeiten willst du ein Leben ordnen
und sogar den Kurs deines Geistes danach richten.

Die Zeit willst du zu einem Strom machen,
um an seinen Ufern Platz zu nehmen
und ihm beim Fließen zuzuschauen.

Doch die Zeitlosigkeit in dir
ist sich der Zeitlosigkeit des Leben bewusst und weiß,
dass das Gestern nur die Erinnerung des Heute ist,
und das Morgen der heutige Traum.

Und dass das, was in dir singt und träumt
immer noch bewegt wird von dem Ereignis,
das die Sterne ins All schmetterte.

Fühlst du denn nicht,
dass deine Kraft zu lieben unermesslich ist?

Fühlst du nicht, dass wahre Liebe,
obwohl grenzenlos,
eingeschlossen ist im Zentrum deines Seins
und nicht umherzieht von Liebesgedanken zu Liebesgedanken,
noch von Liebestaten zu Liebestaten?

Und ist nicht die Zeit
ebenso wie die Liebe ungeteilt und ruhend?

Doch wenn du auf deine Art
die Zeit in Zeiten teilen musst,
so lass doch jede Zeit die andere beinhalten,
und lass das Vergangene vom Heute umfasst sein,
und die Zukunft von Sehnsucht.

Khalil Gibran * 1. 6. 1883; † 4. 10.1931

© Aus dem englischen übersetzt von Frank Maibaum

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