'Von der Zeit' ist ein Kapitel in Khalil Gibrans Buch DER PROPHET. Der Titelheld Almustafa hatte zwölf Jahre als weiser Mann in der Stadt Orphalese gelebt. Bevor er nun das Schiff besteigt, das ihn zurück auf seine Heimatinsel bringen wird, die Bewohner ihm Themen zu, zu denen Almustafa sich äußert. Ein Astronom sagte: Meister, was ist mit der Zeit? Almustafas antwortet:
Du möchtest die Zeit messen,
die grenzenlose und unermessliche.
Nach Stunden und Jahreszeiten
willst du ein Leben ordnen
und sogar den Kurs deines Geistes danach richten.
Die Zeit willst du zu einem Strom machen,
um an seinen Ufern Platz zu nehmen
und der Zeit beim Fließen zuzuschauen.
Doch die Zeitlosigkeit in dir
ist sich der Zeitlosigkeit
des Leben bewusst und weiß,
dass das Gestern
nur die Erinnerung des Heute ist,
und das Morgen der heutige Traum.
Und dass das,
was in dir singt und träumt,
immer noch bewegt wird von dem Ereignis,
das die Sterne ins All schmetterte.
Fühlst du denn nicht,
dass deine Kraft zu lieben
unermesslich ist?
Fühlst du nicht,
dass wahre Liebe,
obwohl grenzenlos,
eingeschlossen ist
im Zentrum deines Seins
und nicht umherzieht
von Liebesgedanken zu Liebesgedanken,
noch von Liebestaten zu Liebestaten?
Und ist nicht die Zeit
ebenso wie die Liebe
ungeteilt und ruhend?
Doch wenn du auf deine Art
die Zeit in Zeiten teilen musst,
so lass doch jede Zeit
die andere beinhalten,
und lass das Vergangene
vom Heute umfasst sein,
und die Zukunft von Sehnsucht.
Khalil Gibran * 1. 6. 1883; † 4. 10.1931
© Aus dem englischen übersetzt von Frank Maibaum
» Der Text im englischen Original
» Das Buch Buch "Der Prophet":
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